Meine Glossen - Spiel ist Spiel

Spiel ist Spiel

Eine interessante Zeiterscheinung in unseren audio-visuellen Medien und der allgemeinen Umgangssprache ist die gedoppelt überhöhte Bewertung einer Aussage. Quasi eine Folge von verzweifelten Versuchen eine ureigene Einschätzung doch bitteschön möglichst allgemeingültig durchzusetzen. Wenn das Fußvolk nicht gleich kapiert, dann kommt eben die Brechstange zum Einsatz.
Dieser psychologische Trick ist öffentlich bekannt geworden durch die Fußball-Co-Kommentation eines als 'Titan' geadelten, ehemaligen Nationaltorhüters.
Regelmäßig benutzt er sein geliebtes: Sehr, sehr.
Bei der Spielanalyse ist das Umschaltspiel stets sehr, sehr schnell; das Pressing gegen den Ball sehr, sehr präsent und in der Eins-zu-Eins-Situation die Bilanz sehr, sehr erfolgreich: sprich alles in allem die Mannschaft sehr, sehr gut.
Die Halbzeitprognose hat oft nicht ganz bis zum Spielende Gültigkeit gehabt, aber egal. Dann war das eben sehr, sehr schade.
Übrigens kurz drauf in einer der gewohnt sehr, sehr lästigen Werbespots im TV betont eine für diesen Zweck eingespannte Prominente, als sie beim Probesitzen bei der frisch eingezogenen Nachbarin erwischt worden ist, die Möbel von der Firma xxx seien sehr, sehr schön. Wie informativ.
In der Rhetorik werden Tautologie oder Pleonasmus (so die Fachausdrücke) als „Verdopplung zum Zwecke der rhetorischen Verstärkung" eingesetzt - sind also hier sehr wohl sinngemäß angewendet und daher durchaus erlaubt.
Obwohl, es gibt viele andere Beispiele, die zur gleichen Gattung zählen, aber nicht so simpel aussehen und meist unbewußt benutzt werden, wie:
Still und leise; voll und ganz; aber auch: alter Greis; schwarzer Rappe; weißer Schimmel.
Die sind durchaus gebräuchlich und entfleuchen uns allen einmal, spätestens bei toter Leiche kommt man ins Grübeln, ob nicht eine der Informationen eingespart werden kann.
In anderen Zusammenhängen, zum Beispiel wenn der Liebste in Übersee sein Praktikum macht, dann ist er selbstverständlich weit, weit weg und nicht nur fern. Oder falls zwei weibliche Teenager über die Körbchengröße diskutieren, dann hat die Carola natürlich oben rum viel, viel mehr und nicht nur eine Nummer größer. Und zu allerzuletzt, habe ich Schnupfen, als Mann, dann ist das wirklich ganz, ganz schlimm, nicht nur furchtbar lästig.
Es gibt da also viele Gelegenheiten im Alltag sein Kümmerchen durch solche Überbetonung etwas aufzumotzen. Menschlich eben.
Warum ich aber überhaupt auf das Thema komme.
Außer der lästerlichen Biertrinkerkommentare beim Publikviewing, wenn der Titan wieder wortgewaltig zugeschlagen hat, ist unser 21/2 jähriger Enkel Emil seit geraumer Zeit unbewußt in das Programm eingestiegen. Ein Beweis eigentlich, der effektiven Bedeutung dieses sprachlichen Stilmittels, denn der Winzling arbeitet noch intuitiv. Wenn, wie gesagt Klein-Emil, ein Titan der Muttersprache, im Vergleich mit Altersgenossen (so die neutrale Bewertung des Opas), höchstselbst recht erbost ist und seine kurze, gute Erziehung vergißt, dann - ja dann flucht er.
Und Alles und Jeder ist dann Kacka-Scheiß.
Ja wenn das keine pleonastische Tautologie ist, dann weiß ich's nicht.