Meine WannenPoesie - Im Zeitalter des Wurms

Im Zeitalter des Wurms

Im Angesicht der neuesten Terroranschläge in Belgien und just vor Ostern, einem hohen Feiertag der regional gängigsten Religionsausrichtung, liege ich in der Wanne. Banaler Frevel, ich weiß.
Ich kann mich des aktuellen Themas nicht erwehren. Schnell ist mir wieder meine Eigenhypothese im Sinn - diese sich mit jedem Anschlag verfestigende naive Ansicht, für all dies eine Erklärung zu haben. Eine Bauchgefühldiagnose, ohne fachlich, studierte Meinungsprägung, ohne viel Detailwissen.
Einfach so kehre ich immer wieder zurück zum Modell der 'tiefen Bescheidenheit' zurück.
Etwas, was der Menschheit gar nicht liegt.
Und dem Individuum erst recht nicht.
Exemplarisch an mir selbst sei somit beispielhaft ausgeführt:
Meine Bedeutung im Jetzt ist, sagen wir mal ist gering. Das hat nichts mit Depression zu tun, aber als Rentner mit diversen körperlichen Gebrechen, altersschwacher Silberrücken der Familie, den von niemandem mehr um Rat gefragt, der unter einem kleinen Rest von Freunden vielleicht noch geachtet, aber nicht verehrt wird, in früheren Jahren beruflich mittelmäßig funktioniert hat und schnell ersetzbar war, den eine auffällig lange Reihe Menschen trotz vieler Jahre Gemeinsamkeit als Freund, Nachbar, Sportskamerad, etc. vergessen hat - also für diesen Menschen ist Zurückgenommenheit, Bescheidenheit keine große Kunst.
Mag sein, es ist für viele tausend andere Menschen schwerer sich zu bescheiden, trotzdem.
Man begebe sich doch nur aus der beschriebenen persönlichen Momentanlage, aus seinem Fernsehsessel, einen Schritt höher, in einer Art Fahrstuhl. Die eigene Bedeutung jenseits der Familie, des Umfelds, außerhalb der Gemeinde, des Bundeslandes, des Staates, des Kontinents, ja des Globus auf dem man lebt, bis hinein in die Unendlichkeit des Alls, mündet in einem nicht mehr auffindbaren Nichts, unendlich verdünnt, wie die Wirkstoffe in Globoli-Perlen.
Und dieses Nichts in der Endlosigkeit beansprucht nun für sich einen Gott, zu dem man sprechen, bitten, flehen, aber auch jubeln können will, dem man Geschenke macht, Opfer bringt um ihn wohl gesonnen zu stimmen, dem man dienen und in seinem Sinne auch missionieren möchte.
Für mich führt diese Beweiskette klar zur menschlichen Selbstüberschätzung. Bescheidenheit unserer Spezies, sich nicht über die restliche Natur zu erheben, sich nicht als etwas Außerordentliches mit einem eigenen, übermächtigen Aufpasser auszustatten, ist anzuraten.
Das Zeitalter des Wurms Stände uns gut zu Gesicht.
Obwohl.
Ich hab begrenztes Wissen über die Weltreligionen und Dutzenden von Splittergruppen, Riten von Naturvölkern, usw., aber aus Sicht der Hindus könnten im Wurm die Seelen meiner Ahnen stecken, also auch da ist Vorsicht geboten.
Ich denke gerade, wie kurios. Diese Woche habe ich zwei interessante Wissenschaftssendungen verfolgt. Einmal die nach heutigem Stand der Wissenschaft verlaufene tektonische Entwicklung der Kontinente und ein urzeitlicher Knochenfund einer bisher unbekannten Kreatur zwischen Affe und Mensch.
Faszinierende Erkenntnisse, wohlgemerkt Wissen mit belegbaren Daten, über die Bewegung der frühen Erdteile, 100-te Millionen Jahre zurück. Dann der zweite Bericht über eine Ausgrabung, die ca. 2,.. Mio Jahre alte Skelettteile einer frühen Homo australensis Art zugerechnet wird, die eine bisherige Lücke der Abstammungsgeschichte des Menschheit füllt, ebenso fantastisch. Unser Wissen vervollständigt sich permanent.
Dann schalte ich jeweils um auf die Tagesnachrichten.
Dort die Horrorbilder von verblendeten Religionsfanatikern, die Chaos und Tod im Namen Gottes verbreiten. Eines Gottes der vor nicht einmal 1600 Jahren lebte, noch einmal 500 Jahre nach 'unserem', dessen Todestag zufällig heute gedacht wird.
Weiter braucht man anhand der Zeiträume über die wir sprechen nicht zu reden, wie wahrscheinlich die Realität der beiden beispielhaft genannten Gottheiten und deren Alleinstellungsmerkmal und Unfehlbarkeitsanspruch nicht zu sagen.
Haben eigentlich die islamischen Staaten keinen Zugang zu Phoenix oder BBC-Berichten der geschilderten Art, ich verstehe es nicht.
Könnten wir uns alle gemeinsam darauf einigen, das es sich jeweils um außergewöhnliche, ihrer Zeit vorausdenkende Persönlichkeiten, frühe Humanisten, Soziologen, Gesellschaftspolitiker oder Kriegsherren handelt und göttlichen Kram weglassen, dann wären wir schon da.

Und im Baum der Wirbeltiere, Säugetiere gibt es jede Menge tote Äste - irgendwann ist Schluß gewesen, wie bei den weltbeherrschenden Sauriern.
Wer sagt, dass es uns besser ergeht?
Das Versagen der Spezies Mensch zu verhindern und der Zukunft auf diesem Planeten gerecht zu werden, muß alle Intelligenz gebündelt werden. Wir müssen uns für Schwarm-Wissen einsetzen, anstatt uns für Individual-Glauben auszurotten.