Meine Glossen - Musterungen

Musterungen

Ich sitze am Gartentisch, genieße die Ruhe.
Da kommen mir die Eindrücke von vorhin in den Sinn.
   Wir waren kurz in der Stadt. Zur Erläuterung vorab: es war schwül warm und ich hasse das Pflaster­treten und die drangvolle Enge der Stadt. Aber es musste sein, dringende Besorgung für einen Geburtstag.
Der Weg vom ‚Parken-umsonst‘ führte durch einen kleinen, verkommenen Park. Braunes Gras. OK, das kommt von der knallharten Sonne und fehlenden Nieder­schlägen. Daß Hartgras aber büschelweise im Sandkasten des, ich würde sagen, ehemaligen Spielplatzes wuchs, war schon eindeutig mangelhafte Pflege. Die über­quellenden Mülleimer, der Unrat unter den Büschen und die Dutzenden von Kronkorken im gesandeten Parkweg waren den Halb­wüchsigen und Pennern geschuldet, die hier ihr Tagwerk verrichteten. Alles zeugte eindeutig von langer Abstinenz der Stadt­reinigung.
Nun kamen wir an einem Pavillon mit Straßen­kaffee vorbei. Alle etwas höher und schattig gelegenen Sitzplätze mit jungen Männern mittel­brauner Hauttönung besetzt. Ein Klassentreffen, dachte ich. Oder die Sylvester­nachbetrachtung der Magreb-Gesellschaft. Dabei saßen sie ganz friedlich und nahmen bloß ein Getränk zu sich.
   Im Innersten der Kleinstadt Leerstände der Reihe nach, trostlos tote Schaufenster. Hier gab es nichts mehr zu schauen.
Trotzdem, meine Frau kehrte in einen Laden ein, der noch offene Tore hatte. Ich wartete, draußen.
Beobachtete, scannte das vorbeiziehende Publikum und erwischte mich erneut beim Lästern.
   Bei 26 Grad, der Typ mit Schirmkappe und hochgezogener Fleece­kapuze seines Hoodis, einfach lachhaft. Da muss doch das Resthirn langsam verdampfen, der merkt das selbst gar nicht. Ein Anderer angemessen luftig und jugendlich flott gekleidet hat Monster-Stereo­kopfhörer auf. So ähnliche habe ich auch, getraue mich sie zuhause aber kaum zu benutzen, ich könnte ja die Feuerwehr, das Telefon oder Nina, die Katastrophen-App, überhören. Aber hier im Straßenverkehr war das wohl halb so wild.
Da erschien mein nächstes Opfer. Ein südländischer Europäer telefoniert lauthals mit seinem Heimatland. Er brüllte Unverständliches in sein waagerecht vor Mund gehaltenes IPhon. Ich muss echt mal nachschauen, wo an meinem Handy Mikrofon und Lautsprecher sitzen, vielleicht rühren die Verständigungs­probleme bei meiner Nutzung von der falschen Handhabung.
   Nun schwebten vier teuer gekleidete und gestylte, südost­europäische Vollweiber ein. Von der Bevölkerungs­gruppe, die angeblich bei uns keine Steuern zahlen muss, nie einer geregelten Tätigkeit nachging und die dicksten Autos fuhr. Sie brauchten für ihren Aufmarsch ungeniert die ganze Wegesbreite. Auch hier eine Lautstärke in der Unterhaltung, wie im Hörgeschädigten­zentrum.
Macht nichts, die Einheimischen können ja nichts verstehen.
   Da fiel mir der verlodderte Einheimische auf. Eindeutig einer der armen Parkbank­schläfer. Er fragte hier und da nach einer Zigarette.
Saß dann in der Hocke mit dem Rücken an einem Boutique-Schaufenster. Stand aber nervös bald wieder auf und drehte erneut eine Runde in seinem Revier. Ich dachte: der braucht mehr als eine Zigarette.
Etwas entfernt und betont solo ein Schwarz­afrikaner an der Kirchenmauer. Auch mit hoch­gekrempelter Kapuze, per se verdächtig. Bei dem kannst du ganz was anderes kaufen, brauchst gar nicht mehr bis zum Hauptbahnhof, dachte ich bei mir.
   Jetzt fielen mir wirklich gehäuft übergewichtige Menschen auf.
Frau schlodderich gekleidet, Kind an der Hand, Kind im Wagen, Kind im Bauch, großes Tattoo auf dem Oberarm, Zigarette im Mundwinkel und ein Liter Coca-Cola im Einkaufsnetz. Die Kippe landete auf dem Gehsteig und sie buxierten sich mühsam in den Gelenk­bus und suchten einen Sitzplatz.
Ich sah auch eine ganze Anzahl Jugendlicher mit einer Speckrolle, in der Form, wie sie mich zurzeit selber stört.
Aber was soll's, auch ich bin zu schwach.
   Drei schlanke gut gekleidete Krawatten­täter paßten nicht ins Bild und waren wohl von der nahen Sparkasse im verdienten Feier­abend auf dem Heimweg. Eine andere Art Bankschläfer, wie die im Park, überlegte ich.
Wie ein Ausrufe­zeichen von Anstand und Moral kurz dahinter zwei junge Männer, in ähnlicher Buisiness-Kleidung, mit weissem Kurzarmhemd, blitzblankem Schuhwerk und dunkler Hose. Sauberer Haarschnitt, keine Tattoos. Sie zogen je einen kleinen Reklame­ständer auf Rädern hinter sich her und platzierten sich exakt da am Schau­fenstereck, wo gerade noch der süchtige Zigaretten­schnorrer hockte. Sie richteten die Prospekte in ihrem mobilen Ständer und ERWACHET wurde nun weithin sichtbar.
   Ich schrecke auf.
Gerade kommt meine Frau mit einem Tablett, Kaffee, Kuchen, Schlagsahne.
Mein Blick fällt auf unsere Garten­tischdecke - sie ist kleinkariert !!!  Zufall?