Meine Glossen - Magenta-gelbe Post

Magenta-gelbe Post

OK, früher war alles besser ist sehr pauschal und natürlich Quatsch.
Wollte jemand z.B. vor 180Jahren seinem Freund im Hoch­schwarzwald per Depesche mitteilen: Hast du schon gehört..., der Dings und die Frau von Gegen­übber…….., dann wusste er um die Risiken, um die etwaigen, zeit­lichen Dimen­sionen Bescheid und rechnete mit dem ärgsten, daß eh nix ankommt und wenn, dann oft zu spät.
Damals mussten bei der Post­kutsche alle 50km die Gäule gewechselt werden und nicht selten geriet so ein Gefährt in den Untiefen der Fahr­rinnen ins Straucheln und alle verwesten. Das wußte man/frau.
Apropos Westen.
  Laut den ausgiebig nach­verfilmten Umständen seinerzeit in Amerika, wurden die Kutschen regelmäßig und kräftig überfallen. Ähnlich den heutigen Spren­gungen von Geld­automaten war damals der Transport von ein paar Dollar oder drei Nuggets zu Enkels Geburt­stag stets vom Risiko der gewalt­samen Aneignung durch Unbe­fugte an der Tages­ordnung.
Oder - auch nicht so selten, der Kutscher schlief in der berühmten, nach ihm benannten Körper­haltung selig ein und Pferde gingen autonom ihre Wege oder grasten, ebenfalls selig. Was ich sagen will.
  Trotz der Vergangen­heitsromantik eine Verbesserung, technisch und logistisch, tat Not. Hat es sie bis dato gegeben?
Die ganzen elek­trischen Entwicklungs­schritte ohne Pferd, wie Morsen, Telegrafieren und Brief­tauben über­springe ich einmal.
Die Elektronik, Sende­masten und Satelliten haben uns neue Wege eröffnet, ohne knietiefe Fahr­spuren. Es gibt Simsen, Whats­appen, Face­booken oder TikToken zur Über­mittlung von allerlei Un­wichti­gem und das alles über Mobilf­unk, ohne Kabel, von überall, theoretisch. Ist schon Klasse.
  Da kommt mir noch die Email in den Sinn. Der elektro­nische Brief. Ohne hand­schriftliche Hiero­glyphen, in der Regel sauber getippt, allerdings auch ohne Parfüm­duft der Liebsten, aber in Licht­geschwindig­keit von A nach B, also noch schneller wie unser Postbote mit Elektro­rad an unserer Haustüre, eine prima Sache.
  Soweit, so gut. Es geht doch. Man muss nur wollen und eine Idee haben.
Bloß, es müssen schon möglichst alle mitmachen. Es braucht wie immer Team­player.
Was nutzt die Über­windung des Raumes zwischen Absender und Empfänger in Licht­geschwindig­keit, wenn Letzterer den Quark nicht zur Kenntnis nimmt. Meine Erfahrung dzbl. ist ernüchternd.
  Keine Arztpraxis, kein Hand­werker, kein Radio- und TV-Laden nimmt meine eilige und verdammt-noch-mal wichtige Nachricht auf diesem Wege zur Kenntnis. Ich muss zu­sätzlich noch tele­fonisch nach­fragen.
Das bedeutet rück­blickend, einst hätte ich quasi meinen ‚schwarzen Rappen’ aus dem Stall holen und hinter der Post­kutsche her reiten müssen, um die Aus­händigung des groben Post­sackes an der Feldberg Post­station zu über­wachen.
Das kann nicht Sinn der Sache sein, früher nicht und nicht heute.
  Ich bleibe maximal frustriert und plane meine Email samt Fotos im Anhang auszu­drucken und anschließend per Post­reiterei zustellen zu lassen.
Etwas provokativ und als Mahnung mit dem elektro­nischen Stinke­finger gedacht. Vielleicht liegt in der Verquickung von alt und neu der Schlüssel zum Erfolg.
Hoffentlich geht man mit meiner hap­tischen Post, liebevoll gefaltet, die Gum­mierung abgeleckt und ordentlich frankiert, dann aufmerksamer um, wie mit der im elek­tronischen Postfach. Möglicher­weise verschwindet ein alt­modischer Brief aber mit den vielen bunten Reklame­blättchen aus dem Briefkasten in der Papier­tonne, dann wäre das wenigstens eine Erklärung.
  Übrigens wußten Sie, Email ist ja eine Abkürzung für:
    Einer-mag-alles-irgendwann-lesen.
Das tröstet und erklärt auch vieles.