Meine WannenPoesie - Körperkunst

Körperkunst

Kurz vor der Sommersonnenwende, schnell noch den Frühjahrsschmutz abseifen. Dann könnte der Super-Sommer kommen, den erwarten wir ja jedes Jahr gebannt, obwohl die Tage nun wieder kürzer werden.

Jedenfalls sind mir wieder eine Reihe Gedanken gekommen, als ich so im Ölbad liege. Das meiste ist nicht nennenswert oder für die Nachwelt relevant. Aber.
Beim Betrachten meiner makellosen Ü60-Standardhaut kommen mir die so trendy und allgewärtigen Tattoos in den Sinn.
Gut, über Geschmack lässt sich schwerlich streiten oder über Ästhetik. Dennoch, wer öffentlich aus dem Rahmen fällt, will ja provozieren oder? Dann müssen aber auch unbequeme Meinungen akzeptiert werden – wie meine hier.
Neben beginnendem Altersstarrsinn, der auch bei diesem Thema eine Rolle spielen mag, ist mir trotzdem mit einem Blick auf die Historie diese Modeerscheinung ein Rätsel.

In der Vergangenheit waren doch mit Tätowierungen Knastbrüder, Seefahrer, Fremdenlegionäre, Schausteller, Mafiosi und Rocker schnell zu identifizieren.
Grenzgänger davon, wie z.B. Sänger Peter Maffei, Fans mögen mir verzeihen, haben wohl frühzeitig für eine Hoffähigkeit dieser Körpermalkunst gesorgt. Heute muss das vorgenannte Klientel ja um Sportler, Künstler und Scheinpromis erweitert werden. Bei Politikern und Angehörigen des Klerus sehe ich noch Zukunftspotential.
Kein Wunder also, dass sich Lieschen Müller, leicht übergewichtig und schon reichlich gepierct, dem Trend anschließt. Extrem dann die Ganzkörper-Tattoos von einigen komplett abgedrehten Gestalten. Wie mag das mal in der Badewanne mit einer Ü60-Standardhaut aussehen?

Egal. Ich denke nur gerade, vielleicht ist das ja einer in der Natur weitverbreiteten Methode abgeguckt – der Mimikry.
Man stelle sich einen Totaltätowierten vor einer vollständig von unbekannten Pseudo-Künstlern mit Graffiti verschmierten Häuserwand in Berlin-Pankow vor. Da verschwindet die Person optisch, löst sich im Hintergrund auf.
Das ist Chamäleon live. Vielleicht liegt da ein wenig die Erklärung. Diese Mitbürger wollen öffentlich in Erscheinung treten, im heimischen Paradies dann quasi mit Tarnkappe in der Privatsphäre versinken können, wegen der vielen Gaffer.