Meine Glossen - Nur das Beste

Nur das Beste

Ok, das Thema ist nicht ganz neu, aber jenseits (das Wort nutze ich ungern) der Siebzig ist es allgegen­wärtig.
Die ver­bliebenen Freunde.
Gemeint sind existente Mit­menschen, die mich nach wie vor gerne kommen und gehen sehen.
Die Anzahl hat sich auf natürliche Weise reduziert, die Auswahl hat sich geändert, kommt nun teilweise aus ganz neuen Branchen.
  Um es vorweg­zunehmen, es gibt auch reichlich Ignoranten.
Jene, die kess meinen Lebens­zweck bezweifeln, die meinen ehemaligen Nutzen für die Gesellschaft abtun. Das sind dann meist die zurzeit Aktiven und Rentner von morgen.
Aber dieses Stadium ist für sie so weit weg, es zählt nur das Jetzt. Was war, das war, was kommt wird man sehen, sagen die.
So sind mir freund­schaftlich zugeneigt meist Gleich-Betroffene und auch Verwandte, von wegen: Blut ist dicker ‚alswie’ Wasser! Obwohl. Ich konsumiere seit vielen Jahren Blutver­dünner.
Apropos.
  Da kommt der große Block der anonymen Siez-Freunde ins Spiel. Gemeint sind die über die Jahre wechseln­den Nutz­nießer meines Siech­tums.
Beinahe alle habe ich in dieser Woche auf einmal wieder­gesehen.
Schön war es, aber auch mal anstrengend, ist klar.
Zuerst der Augen­doktor, der mir schon zweimal ein und dasselbe Augenlicht rettete, dann drauf der arme Orthopäde. Er registriert regelmäßig und hilfslos den Zerfall meines Halte­apparats. Schließlich hat der HNO mir den Marsch, bzw. den verschmalz­ten Gehör­gang geblasen.
Ebenfalls aussichtslos ist das Ende der bohren­den Fragen von Herrn Zahn­doktor. Ihn habe ich still­schweigend mit weit aufge­rissenem Rachen werkeln lassen, immer mit der heren Absicht: das kriegen wir schon hin. Ist richtig rührend nach Jahr­zehnten Arbeit nicht aufzugeben. Wenn ich nur hätte lächeln können! Wirkte aber recht entstellt, wegen der Betäubung.
Rein terminlich war in der Kalender­woche X der intime Kontakt zu meinem Urologen und auch der Besuch in der 'Praxis mit Herz' nicht unterzu­bringen, das muß ich neu planen. Letzterer Spezialist umsorgt mich mit den zahlen­mäßig meisten Tabletten. Mal Druck zu hoch, mal Puls zu nieder, mal gar keiner - obwohl nach einer Ablation doch mehr Ruhe am Sinus­knoten herrscht.
  Es ist geistig sehr schulend, all­morgendlich die Rationen für der Tag vorzu­bereiten und das Pillen­döschen zu füllen. Schon ist der Denk­apparat auf Hochtouren und kann den Aufgaben des Rentner­daseins gelassen entgegen sehen. Da muß das 7-Minuten-Ei gelingen, die Zeitung gelesen und das Kartenspiel gewonnen werden. Manchmal fällt anschließend auch ein Unkräut­lein dem heftigen Taten­drang im Garten zum Opfer - das motor­unterstützte Radeln am Nachmittag sei hier ebenfalls nicht vergessen.
  Da kann man schnell noch beim nächsten guten Bekannten von mir und den Herren Doktoren vorbei­schauen - dem Apotheker vor Ort.
Der Vorrat an verordneten, lebensunter­stützenden Pharmazeutika ist stets ausreichend zu bevorraten, was gemeinsam aber gut gelingt. Unterstützt werde ich dabei ungewünscht von der allabend­lichen TV-Werbung. Nicht nur was ich ärztlich dringend brauche, sondern auch darüber hinaus werde ich über viel Unnötiges mantra­artig informiert. Unterstützt durch prominente Gesichter wird dererlei Ansinnen aber nicht minder sinnlos. Da wird mir Inkontinenz und Vergeß­lichkeit unterstellt und der problemlose Treppen­aufstieg abgesprochen. Wenn mir dann ein abge­halfterter, ehemaliger Enter­tainer seine Gehör­probleme schildert, dann kann ich nur sagen: Hört Ihr‘s?
Alle wollen ja nur mein bestes….., meine Rente.