Gnade der Geburt
Komisch der Mensch. Obwohl unser guter Bekannter am Wochenende überraschend schnell an seinem Gehirntumor verstorben ist und auch der Tod einer alten Dame aus der Nachbarschaft heute bekannt wurde, habe ich so etwas Profanes, wie Reparatur eines Mauerpfostens in Angriff genommen. Wieder einmal eine körperliche Herausforderung. Ich liege jetzt geschafft im verspäteten Samstagsschaum.
Draußen rattert eine Rüttelplatte. Eine stillgelegte Schule wird zur weiteren Nutzung umgebaut. Auch die eindeutigen Geräusche im Sommer aus den Nachbargärten, die Bohrmaschinen oder Kettensägen, deuten darauf hin: es geht stets voran. Es werden Pläne gemacht, Träume verwirklicht, Schnapsideen umgesetzt. Der Mensch rettet sich immer in die Zukunft. Auch bei den genannten Todesmeldungen. Es gibt nichts Endgültigeres. Trotzdem, nach einem kurzem Innehalten - weiter! Den Mauerpfosten reparieren.
Dennoch ist zu bedenken, daß ist nur die mitteleuropäische Variante. Begnadet bin ich nach dem Krieg geboren, in eine Phase des Wiederaufbaus. In eine demokratische Zeit mit allen möglichen Sicherheiten und Zukunftschancen. 70 Jahre ohne direkte Kriegserlebnisse. Abgesehen von den ‚gespielten‘ während meiner Wehrpflicht. Das bedeutet aber nicht, dass es keine kriegerischen Auseinandersetzungen gab. Im Gegenteil.
Viele Menschen weltweit können diese positive Bilanz so nicht ziehen! Wie viele werden in eine hoffnungslose Zeit geboren, heute, parallel zu meiner hoffnungsvollen, gesicherten? Wie viele Millionen haben keine Pläne, weil es schlicht NICHTS gibt.
Wenn ich für etwas dankbar bin, dann für den Zeitpunkt meines Daseins und für die geografische Lage meiner Heimat. Dafür kann niemand selbst etwas. Das sind die wahren 'sieben Richtigen' - Lottoglück hin oder her. Man muss dies nur gelegentlich reflektieren. Puuh. Wasser wird kalt.